
Die italienische Spezial-Firma Coget Impianti S.r.l., Brescia, ist federführend beim Abbau der Leitung. Sie hat eng mit dem ROFAN-KURIER zusammengearbeitet.
Historisch! 110 kV-Leitung Kramsach abgebaut!
Vor wenigen Tagen wurden die Kabel der 110 kV-Leitung in Kramsach abgenommen. Ein historisches Ereignis: Damit geht ein vor über 15 Jahren gestarteter Kampf um die Verlegung der Leitung zu Ende. Bonus: Auch der Sendemast am Gangal-Bühel ist Geschichte!
TIROL/KRAMSACH Seit der Nazi-Zeit führt eine 110 kV-Leitung quer durch Kramsach. Sie hängt über Hunderten Wohnungen, dem Alterheim, der Volksschule, einem Spielplatz. Oder besser: Sie hing...
Doch von Anfang an: 2008 erlangte ROKU-Herausgeber Mag. Christian Mück erstmals Kenntnis darüber, dass die 110 kV-Leitung in Jenbach, Wiesing und Münster neu gebaut werden soll. Dabei verlagerte man den Großteil der Trasse aus den Orten hinaus. Doch am Ende der Leitung schwenkte man auf die alte Trasse zurück. Der Grund: Man musste das kleine Umspannwerk in Kramsach erreichen. Für eine Neuplanung des letzten Teilstücks war es trotz Widerstandes in Münster zu spät. Die Trasse wurde 2009 und 2010 fertig gestellt. Als danach klar wurde, dass auch der Abschnitt von Kirchbichl bis Kramsach neu zu bauen wäre, jedoch zunächst ein Verbleib auf der alten Trasse (wieder durch Kramsach) angedacht war, gründete Mag. Mück 2010 die Bürger-Initiative "Leben ohne Hochspannung" in Kramsach.
Das Ziel der Initiative: Verlegung der 110 kV-Trasse - raus aus dem Siedlungsgebiet - kein Neubau auf der alten Trasse. Nach Recherchen wurde die Initiative 2011 erstmals aktiv, um eine Verlegung der 110 kV-Trasse zu erreichen. Sprecher der Initiative war der ehemalige SANDOZ-Chef und Ehrenzeichen-Träger, Dr. Heinz Scherfler, ins Leben gerufen hat die Gruppe ROFAN-KURIER-GF Mag. Christian Mück. Das erste Schreiben an die TINETZ erging am 15. März 2011. Weitere folgten, doch anfangs waren die Antworten eher lapidar.
Initiative legt nach...
Im Herbst 2011 stellte die Initiative daher einen Antrag an den Gemeinderat: Dieser solle beschließen, dass er sich gegen einen Neubau der 110 kV-Leitung auf der alten Trasse ausspricht. Der Gemeinderat folgte den Ausführungen und fasst daraufhin im Dezember 2011 den einstimmigen Beschluss gegen den Neubau der Leitung auf der alten Trasse durch die Siedlungen. Im selben Jahr erstellte Dr. Dietrich Moldan ein umfangreiches Messgutachten zur Situation vor Ort. Sowohl zur Belastung durch die 110 kV-Leitung, als auch zur Belastung durch die Sende-Anlage am Masten "Gangal-Bühel".
Es folgen persönliche Gespräche mit dem Umwelt-Mediziner der Salzburger Landesregierung, Dr. Gerd Oberfeld, und immer wieder Artikel im ROFAN-KURIER als Sprachrohr der Initiative. 2012 stellte sich auch der Wirtschafts-Bund Kramsach ebenfalls einstimmig gegen einen Neubau der 110 kV-Trasse im Siedlungsgebiet. Alle Beschlüsse wurden von Gemeinde und der Bürgerinitiative an die TINETZ übermittelt. Sprecher Dr. Scherfler nutzte indessen seine Kontakte, um auf die Situation in Kramsach aufmerksam zu machen, etwa zum früheren TIWAG-Aufsichtsrat Ferdinand Eberle. Christian Mück sprach in der Folge als Gründer der Initiative mehrmals mit Alt-LH Günther Platter (ÖVP) und bis 2014 auch mehrfach mit Ex-LR Patrizia Zoller-Frischauf (ÖVP). Sie war stellvertretende Aufsichtsrats-Vorsitzende der TIWAG. Die Initiative legte der Politik den einstimmigen Gemeinderats-Beschluss, den Wirtschaftsbund-Beschluss sowie Messgutachten und Schriftverkehr vor. Der Politik war klar: Aufgrund von geschätzt 2.000 Betroffenen allein in Kramsach barg das Thema durchaus Zündstoff für die kommende Landtagswahl 2013. Zudem führte die alte Trasse über die Volksschule und über das Seniorenheim im Ort.
2013, kurz vor der Landtagswahl, stellte TINETZ-Vorstand DI Franz Hairer dann mündlich erstmals ein Abrücken von der alten Trasse in Aussicht, was 2015 mit Vorlage erster Pläne bei LA Bgm. Ing. Alois Margreiter, der ebenfalls als Mitstreiter gewonnen wurde, bestätigt wurde. Sprecher Dr. Heinz Scherfler damals dazu: "2010 wurde uns noch gesagt, man sehe keine Möglichkeit für eine andere Trasse in Kramsach. Heute haben wir die Zusage, dass die Leitung aus dem Siedlungsbereich hinaus verlegt wird. Und morgen werden Hunderte Menschen in Kramsach ein Leben ohne Hochspannung führen! Wir danken der TINETZ und den politischen Entscheidungsträgern für diese Entwicklung." Ursprünglich wurde der Neubau bereits für 2017 zugesagt. Daraus wurde nichts: Mehrmals wurde das Projekt verschoben.

Bonus "Sendemast"
Noch unter Alt-Bgm. Hartl Zisterer (ÖVP) informierte man 2019 den Gemeinderat, dass es durch den Neubau der 110 kV-Leitung zu einem Neubau-Antrag für die große Sendeanlage am Gangal-Bühel kommen werde und stellt den Antrag, man solle das unter Berufung auf das Ortsbild-Schutzgesetz ablehnen. Aktivitäten diesbezüglich bleiben unter Zisterer aber aus. In der Zwischenzeit arbeitete die TINETZ bereits an der neuen Trasse von Kirchbichl nach Breitenbach. Nach der Gemeinderats-Wahl 2022 und dem Machtwechsel in Kramsach griff LA Bgm. Andreas Gang (FPÖ/BLK) die Idee auf und verweigerte den Sende-Betreibern 2023 den bereits prognostizierten Neubau-Antrag! Die Mehrheit im Gemeinderat zog mit. Zu dieser Zeit liefen bereits Leitungs-Arbeiten in Kramsach für die neue Trasse, die in den Wald nördlich des Ortes verlegt wurde. Die Betreiber akzeptierten die Absage und verlegten den Sendemasten zu einem Standort außerhalb des Siedlungs-Raumes, wo die Gemeinde kein Mitsprache-Recht hat. Am 14. Mai 2025 ist es schließlich soweit: Erstmals fließt Strom durch die neue 110 kV-Leitung nördlich von Kramsach! Dann, Ende Mai, das historische Ereignis: Am 29. Mai werden die alten Leiter-Seile abgenommen! Sie werden von der Spezial-Firma COGET IMPIANTI entfernt. Erstmals seit fast 100 Jahren hängen keine Starkstromkabel über den Köpfen der Volksschul-Kinder, der Seniorenheim-Bewohner und von Hunderten Bürgern.

44 Mio. EURO investiert
Die Kosten für die vier Bauabschnitte Kirchbichl-Angerberg, Breitenbach, Kundl und Kramsach betragen insgesamt 44 Mio. EURO. Die bestehende Leitung wird aktuell demontiert. Diese eindrucksvollen Arbeiten haben bereits begonnen und dauern voraussichtlich bis Herbst 2025. Im Siedlungsgebiet war/ist das manchmal heikel: Im Ortsteil "Gangal-Bühel" hat sich die Firma COGET IMPIANTI dazu entschieden, die Seile letzte Woche, am Feiertag, abzunehmen. "Da war kaum Verkehr und der Regen macht uns nicht viel aus!", sagt Stefan Ferdick aus Südtirol, ein echter Ladiner, der hier als Sprecher und Koordinator der Firma vor Ort fungiert. Mit viel Rücksicht auf die Gebäude und Gärten haben die 14 Mann von COGET IMPIANTI die Leiterseile der alten Trasse quer durch die Siedlungs-Gebiete abgenommen. Ferdick lobt dazu auch die lokalen Behörden vom Baubezirksamt und der Polizei: "Man hat uns hier hervorragend unterstützt! Ich würde mir wünschen, dass derartige Dinge auch in anderen Ländern ähnlich professionell und reibungslos laufen würden."

Historisches Ereignis!
Was manchem vielleicht nicht bewusst ist: Der Abbau dieser Leitung stellt ein historisches Ereignis dar. Die alte 110 kV-Leitung wurde bereits während der I. Republik geplant, z.B. in Münster schon 1928 gebaut und in Kramsach in der Nazi-Zeit 1938 fertig gestellt. Sie erlebte 4 Änderungen auf Staats-Ebene und 4 Währungen! Wäre es nicht gelungen, diese Trasse aus dem Siedlungsgebiet hinaus zu verlegen, stünde nun womöglich für weitere 100 Jahre eine neue 110 kV-Leitung mitten im Ort. Die Bürger-Initiative dankt den nicht mehr im Amt befindlichen Politikern wie Ex-LR Patrizia Zoller-Frischauf und auch LA Bgm. Ing. Alois Margreiter aber auch Alt-LH Günther Platter (alle ÖVP) sowie LA Bgm. Andreas Gang (FPÖ/BLK) für ihr Verständnis und ihre Unterstützung, aber auch TINETZ-Vorstand DI Franz Hairer und seinem Nachfolger DI Thomas Rieder sowie Dr. Gerd Oberfeld (Umweltmediziner von Salzburg) und Prof. Dr. Michael Kundi von der Uni Wien für die Unterstützung.
So gehen die Arbeiten weiter
DI Thomas Rieder, GF der TINETZ informiert den ROFAN-KURIER (über Jahre) exklusiv zum Stand des Projektes: "Die Arbeiten für die neue Leitung in Kramsach wurden Ende 2024 abgeschlossen. Anfang Mai konnten wir die neue 110 kV-Leitung beim Umspannwerk Kramsach einbinden und diese nun bereits am 14. Mai in Betrieb nehmen!" Mit dem neuen, letzten Leitungsabschnitt des 110 kV-Neubaus im Unterland kann die TINETZ nun auch die Anforderungen aus der Klima-, Energie- und Mobilitätswende im Stromnetzbetrieb stemmen. Zum weiteren Abbau sagt DI Rieder: "Sind alle Leitungen ausgezogen, werden die Maste abgebaut und recyclet. Danach werden die alten Fundamente bis auf 1 m Tiefe geschliffen. An der neuen Trasse selbst sind nur noch Beschichtungs-Arbeiten und Rekultivierungen zu erledigen..."