Der WWF begrüßt eine Wiederansiedelung des Wolfes - "wir sollten uns freuen, wenn der Wolf von selbst zurück kommt", sagt WWF-Wolfs-Experte Christian Pichler im Interview.Pixabay

WWF: "Wolf ist keine blutrünstige Bestie!"

In den letzten Ausgaben ließ der ROFAN-KURIER die Kritiker einer Wolfs-Ansiedelung zu Wort kommen. Diesmal spricht ein Befürworter: "Wir sollten uns freuen, dass der Wolf von selbst zurück kommt", meint Christian Pichler vom WWF.

TIROL Eine Abschuss-Regelung für Wölfe und Bären forderte etwa Landwirtschaftskammer-Präsident Ing. Josef Hechenberger (ÖVP). Die Landwirtschaftskammer brachte einen Antrag auf "Entnahme von Wolf und Bär" in Tirol ein – dieser wurde abgelehnt. Eine Entscheidung, die der WWF befürwortet. Wie ein Zusammenleben mit dem Wolf etwa in der Schweiz funktioniert, erzählt WWF-Wolfs-Experte Christian Pichler im Interview.

ROKU: "Bauern-Vertreter und Touristiker sind gegen eine Ansiedelung von Wolf und Bär in Tirol. Soll es für den WWF neue Wolfsreviere in Tirol geben?"
Christian PICHLER: "Prinzipiell ja. In Österreich haben wir extrem viele Tierarten verloren und es geht mit der Biodiversität (Arten-Vielfalt, Anm. der Redaktion) bergab. Wir sollten uns darüber freuen, dass der Wolf von selbst zurückkommt. Wir sollten nicht sofort wieder in alte Muster zurückfallen und diese Tiere gleich ausrotten."

ROKU: "Dort, wo sich Wölfe bereits angesiedelt haben, geht die Almwirtschaft massiv zurück. Damit verschwinden auch die gepflegten Berglandschaften, die Grundlage für den Tourismus sind. Sollen wir Wolf und Bär trotzdem ansiedeln lassen?"
PICHLER: "Dass die Almwirtschaft zurückgeht, hängt nicht mit dem Wolf zusammen. Das belegen Studien. Das Bauernsterben gibt es ja schon seit langem und der Wolf kommt erst jetzt wieder zurück. Hier wird der Wolf von einzelnen Vertretern zum Sündenbock gemacht und das ist unfair."

ROKU: "Berichte aus Frankreich belegen, dass Herden-Schutzhunde aber auch Elektro-Schutzzäune wirkungslos gegen ein Wolfsrudel sind. Wie sollen Bauern ihre Tiere schützen?"
PICHLER: "Ich kann das Gegenteil behaupten. Herdenschutz funktioniert. Ich war vor kurzem in der Schweiz, die aufgrund der Struktur mit Österreich und auch Tirol vergleichbar ist. Hier hat der Herdenschutz viele Elemente, etwa Elektrozäune, Herdenschutzhunde, Lamas oder auch Hirten, die die Herde beschützen. Hinterm Bauernhof reicht ein Elektro-Zaun, auf der Alm gibt  es einen Hirten, der die Schafe in einen Nachtpferch treibt. Ich bin immer erstaunt wie gut es in der Schweiz funktioniert. Auch in Italien gibt es etwa 2.000 Wölfe und der Herdenschutz funktioniert."

WWF-Pichler: "Wolf wird zum Sündenbock gemacht!"

ROKU: "Der WWF fordert ein 'Wolfsmanagement'. Was bedeutet das?"
PICHLER: "Es gibt schon einen Management-Plan. Darin werden Maßnahmen erörtert, was man macht, damit es den Wölfen gut geht und die Konflikte niedrig bleiben. Monitoring, Prävention, Schadensabgeltungen sind hier ein Thema. Außerdem geht es um Information für die Bevölkerung und für die Landwirte. So wollen wir auch Gerüchten entgegen wirken."

ROKU: "Neueste Untersuchungen zeigen: Es gibt in Mitteleuropa offenbar gar keine reinrassigen Wölfe mehr, sondern nur noch Hunde-Mischlinge. Ist der so genannte 'Wolf' dann überhaupt schützenswert?"
PICHLER: "Das wurde von Wolfs-Gegnern ausgeschlachtet. Wolf und Hund waren vor 30.000 Jahren noch eine gemeinsame Art und haben sich dann aufgespalten. Die DNA ist zu mehr als 99 Prozent noch immer dieselbe. Es ist schwer einen Zeitpunkt zu finden, ab wann der Wolf reinrassig war. Es hat immer wieder Vermischungen gegeben. In Steinböcken ist ja auch die DNA von Hausziegen zu finden -  bei uns Menschen gibt es auch Neandertaler-Gene. Es gibt Untersuchungen, die festgestellt haben, dass es keine Hybride gibt und sollten diese auftauchen würden diese entnommen werden."

Für WWF-Wolfsexperte Christian Pichler (kleines Bild) haben Wolf, Almvieh und Tourismus nebenanader Platz. "Das zeigt die Schweiz vor", denkt er im ROFAN-KURIER-Interview. ©WWF/bright light photography

ROKU: "Haben Wolf, Almvieh und Tourismus in Tirol Platz?"
PICHLER: "Ja, das lässt sich alles unter einen Hut bringen. Das zeigt die Schweiz vor. Was den Tourismus betrifft, so kann der Wolf Regionen ein zusätzliches, attraktives Alleinstellungsmerkmal liefern. Der Wolf ist etwa im deutschen Bundesland Sachsen längst ein Touristenmagnet."

ROKU: "In Deutschland gibt es vermehrt Wölfe. Dort werden Waldkindergärten geschlossen, weil Eltern Angst um ihre Kinder haben. Was sagen Sie dazu?"
PICHLER: "Das Bild vom Wolf ist nach wie vor das einer blutrünstigen Bestie. Hier waren es keine tausend Kindergärten, sondern nur einzelne. Wichtig ist hier, dass die Leute aufgeklärt werden. Der Wolf ist seit 20 Jahren in Deutschland und es ist nichts passiert. In Europa gibt es etwa 17.000 Wölfe und es ist defakto nichts passiert. Die Gefährlichkeit des Wolfes gibt es nicht wirklich."

ROKU: "In Polen wurden zwei Kinder und eine Frau von einem Wolf angegriffen, in Griechenland soll eine 63-jährige Wanderin von einem Rudel zerfetzt worden sein. Was sagen Sie dazu?"
PICHLER: "In Griechenland gehen wir nach Zeugenaussagen davon aus, dass verwilderte Hunde, die in dieser Gegend gesichtet wurden, für den Tod der Frau verantwortlich waren. Zudem wurden in dieser Gegend nie Wölfe nachgewiesen, was auch für verwilderte Hunde spricht. In Polen war es ein Wolf, der zuvor illegal in Gefangenschaft gehalten wurde. Er war gewöhnt von Menschen Futter zu bekommen, hat dann Menschen angebettelt und dabei die Frau leicht ins Bein gebissen und auch die Kinder leicht verletzt. Alle konnten jedoch nach kurzer Behandlung noch am selben Tag das Krankenhaus verlassen. Der Wolf wurde erschossen."

ROKU: "Auch in der Schweiz gibt es bereits etliche Wolfs-Reviere. Darf der Wolfs-Bestand dort reguliert werden (Abschüsse)?"
PICHLER: "Wie bereits erwähnt setzt die Schweiz auf verschiedene Herdenschutzmaßnahmen, wie etwa Herdenschutzhunde, Elektro-Zäune, usw. In der Schweiz wird der Wildbestand geregelt, der Wolfsbestand wächst auch dort. In der Schweiz dürfen Wölfe entnommen werden, die trotz Herdenschutzes gelernt haben diese Maßnahmen zu überwinden. Regulationsmaßnahmen für den Wolf gibt es keine."

Pichler: "Abschuss bei Gefahr für Leib und Leben"

ROKU: "Wann wäre für den WWF ein Wolfs- oder Bären-Abschuss gerechtfertigt?"
PICHLER: "Wenn ein Wolf Gefahr für Leib und Leben ist, oder wenn sich gewisse Schäden nicht oder nur mit sehr, sehr viel Einsatz verhindern lassen würden. In der Gesetzgebung heißt es, ‚man muss das gelindere Mittel anwenden‘. Wenn die Bevölkerung Angst hat, muss sie aber informiert werden und nicht der Wolf sofort abgeschossen werden. Wenn ein Landwirt Schafe ungeschützt ‚herumstehen‘ lässt, ist das ‚gelindere Mittel‘ der Herdenschutz. Ich muss ja auch die Hühner vor dem Fuchs schützen und so ist es auch mit dem Schaf und dem Wolf. Bei Gefahr für Leib und Leben gibt es aber keine ‚gelinderen Mittel‘ als den Abschuss."

ROKU: "Vielen Dank für das Gespräch!"


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