
Nicht einmal das Sprengen eines Umspannwerkes könnte einen Blackout auslösen.TINETZ
Blackout: "Tirol in 24 h wieder am Netz!"
Ganze TV-Serien werden über Blackout-Szenarien gedreht. Generator-Verkäufer machten gute Geschäfte damit. Aber wie steht es um das Thema in Tirol wirklich? Der ROFAN-KURIER hat mit dem Netz-Experten der TINETZ und mit der zuständigen Landesrätin Astrid Mair gesprochen...
TIROL/EUROPA Ein Black-Out ist ein multiples Thema: Es geht nicht nur um den Ausfall des Stromnetzes. Nach 30 Minuten bricht das Mobilfunk-Netz zusammen. Überall dort, wo Trinkwasser nicht mit natürlichem Druck von den Bergen ins Tal fließt, bleiben die Wasserleitungen trocken. Teilweise kann die Abwasser-Versorgung zusammenbrechen, Fäkalien-Pumpstationen fallen aus. Nach einigen Stunden beginnt Gefrier-Gut, aufzutauen. Auch Verkehrsanlagen fallen aus, öffentliche Verkehrsmittel bleiben stehen. Dass aber, wie in manchen Filmen nahegelegt, dann alle zugleich in die Kreuzung fahren und es überall kracht, ist unwahrscheinlich...
TINETZ-Experte DI Christian Ammer im ROKU-Interview
ROKU: "Wann spricht man überhaupt von einem Blackout?"
DI AMMER: "Ein Blackout ist ein unerwarteter, überregionaler, großflächiger, ganze Bundesländer oder Staaten betreffender Stromausfall. Lokale Probleme, auch wenn Tausende Menschen betroffen sind, sind einfach kleinere Strom- und Netzausfälle."
ROKU: "Bricht das Tiroler/Österreichische Stromnetz zusammen, wenn das deutsche Netz zusammenbricht?"
DI AMMER: "Das kann man nicht mit JA oder NEIN beantworten. Eines muss man sagen: Das europäische Stromnetz ist eng miteinander verbunden. In diesem Netz gibt es Schutz-Mechanismen. Damit es stabil läuft, gibt es etliche Vorkehrungen. Ein einzelner Fehler im Netz dürfte keine großflächige Auswirkung haben... Ein Beispiel: Es ist in Europa schon 2021 zu einer Trennung des Netzes gekommen. Das gesamte Strom-Netz hat sich in zwei Teil-Netze aufgeteilt. Genau da hat der Systemschutz-Plan funktioniert. Diese Teil-Netze konnten nach einer Stunde wieder zusammengeschalten werden. Aber: Wenn in ganz Deutschland ein Blackout wäre, ist das ein sehr großer Störfall. Da wären dann auch andere Länder wie Österreich massiv betroffen."
ROKU: "Was sind mögliche Szenarien, warum es zu einem Blackout kommen kann?"
DI AMMER: "Zuviel Entnahme alleine reicht nicht, um das Netz zum Zusammenbruch zu bringen. Da funktionieren unsere Schutz-Mechanismen. Grundsätzlich müssen sich aber Einspeisung und Verbrauch immer die Waage halten. Wenn das aus der Balance kommt, dann bricht das Netz zusammen! Sprich: Wenn große Erzeuger plötzlich aus dem Netz fallen, kann das Netz zusammenbrechen, wenn die Schutz-Maßnahmen nicht mehr ausreichen. Sprengt jemand einen Masten oder ein Umspannwerk, führt das maximal zu einem regionalen Problem. Die Gefahr ist hier eher die Cyber-Kriminaltität: Wir als TINETZ sind deshalb nicht mit dem Internet verbunden. Aber wir müssen aufpassen, dass hier kein Einfall für Hacker möglich wird, beispielsweise über einen Mitarbeiter, der einen USB-Stick mit in die Arbeit nimmt. Natürlich können Naturkatastrophen oder Kaskaden (das ist ein Dominoeffekt, der nicht unterbrochen wird) auch Ursachen für einen Blackout sein."

ROKU: "Wenn es zum Blackout kommt: Wie lange dauert es, das Netz wieder hochzufahren?"
DI AMMER: "Wir haben in Österreich einen eng abgestimmten Netz-Wiederaufbauplan: Die APG (Austrian Power Grid – sie betreibt das österreichische Stromnetz) wäre beauftragt, den Netz-Wiederaufbau für Österreich durchzuführen. Gewisse Kraftwerke sind in Österreich vertraglich beauftragt, im Fall der Fälle dieses Netz als erste wieder hochzufahren. Bei uns in Tirol geht das sehr gut mit unseren Wasserkraftwerken. Wir können regional das Netz aufbauen und gewinnen damit Zeit – wir sind hier sehr, sehr schnell, wenn es darum geht, die Wiederversorgung nach einem Blackout hochzufahren. Das sollte innerhalb von maximal 24 Stunden möglich sein. Wir sagen `in 6 Stunden plus´ schaffen wir eine Grundversorgung für Tirol! Das Tiroler Konzept ist mit dem österreichischen Konzept abgestimmt. Der Wiederaufbau würde Schritt für Schritt mit regionalen Netzen erfolgen, die dann wieder zusammengeschaltet werden zu einem großen Netz."
ROKU: "Was sind `schwarzstartfähige Kraftwerke´?"
DI AMMER: "Das sind Kraftwerke, die auch bei einem Blackout wieder hochfahren können. In Tirol sind das vor allem unsere großen Speicherkraftwerke mit hohen Fallhöhen. Die können auch anfahren, wenn im Netz ringsum kein Strom vorhanden ist. Laufkraftwerke sind für diese Aufgaben eher weniger gut geeignet."
ROKU: "Wie hoch sehen Sie die Wahrscheinlichkeit eines Blackout in Österreich oder Europa?"
DI AMMER: "Ein Blackout im europäischen oder österreichischen Strom-Netz ist sehr unwahrscheinlich. Diese Szenarien werden aber natürlich geübt. Ja: Passieren kann es durchaus. Die Störfälle der letzten Jahre haben aber gezeigt, dass die Schutz-Systeme in Österreich und Europa sehr gut funktionieren. Unsere Anlagen und Umspannwerke sind jedenfalls mit Notstrom-Versorgung ausgestattet, damit wir den Netz-Wiederaufbau gut durchführen können. Auch die Kommunikation ist sichergestellt."
Sicherheits-Landesrätin Astrid Mair im Blackout-Interview
ROKU: "Wenn der Strom ausfällt: Wer ist laut Katastrophen-Plan in Tirol mit Notstrom ausgerüstet?"
LR MAIR: "Die kritische Infrastruktur, wie Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime, Kommunikations-Einrichtungen, Gebäude der Einsatzorganisationen und auch die Behörden, wie Landhäuser und Bezirks-Hauptmannschaften. Das Land Tirol fördert dabei den Aufbau von Notstrom-Versorgung seit inzwischen drei Jahren mit bis zu 50%. Weiters hat das Land Tirol die letzten Jahre für die Ausfallsicherheit des behördlichen Digitalfunks durch Aufbau eines redundanten Richtfunknetzes gesorgt."
ROKU: "Wie lange müssen diese Anlagen laufen können?"
LR MAIR: "Die Planungen gehen von einem Zeitraum von drei Tagen aus, wobei es auch ein Konzept für eine Treibstoff-Notversorgung der kritischen Infrastruktur für einen längeren Zeitraum gibt."

ROKU: "Was empfiehlst Du als Sicherheits-Landesrätin: Wie sollten sich die Menschen in Tirol auf einen möglichen Stromausfall vorbereiten?"
LR MAIR: "Es geht ja nicht nur um einen Blackout. Auch andere Ereignisse wie Naturkatastrophen oder Krankheiten können zu Versorgungs-Engpässen führen. Im Ernstfall ist es zu spät. Eine Vorbereitung und Bevorratung muss präventiv im Vorfeld passieren. Grundsätzlich sollte jeder Haushalt eine Woche ohne Einkaufen und ohne Strom auskommen. Zur Bevorratung gibt es dabei zwei Möglichkeiten: Entweder man braucht die eingelagerten Lebensmittel regelmäßig auf und kauft dementsprechend nach oder man legt sich einen speziellen Vorrat an."
ROKU: "Wie sollte man hier vorgehen?"
LR MAIR: "Grundsätzlich sollten Lebensmittel gewählt werden, die man im Notfall auch kalt essen kann. Sie sollen lang haltbar und gut verdaulich sein. Zudem braucht man einen Vorrat an Getränken, da die Wasserversorgung zusammenbrechen kann. Auch verordnete Medikamente sowie Erste-Hilfe-Utensilien müssen vorrätig sein. Sollte es zu einer Evakuierung kommen, müssen wichtige Dokumente griffbereit sein."
Weitere Tipps auf www.tirol.gv.at.