Die Muskeln und Sehnen eines Menschen sind vollgepackt mit Sinneszellen – den Propriozeptoren – den Rezeptoren zur Selbstwahrnehmung.pixabay.com

Gewichtig, aber unbekannt: Der sechste Sinn

Die meisten Menschen haben ihn, kaum jemand ist dieser Sinn bekannt. Ohne diesen Sinn würden die Menschen hilflos durch die Welt stolpern – der Körpersinn.

ÖSTERREICH/WELT Die fünf Sinne – Sehen, Riechen, Hören, Tasten und Schmecken – sind allgemein bekannt. Weitgehend unbekannt ist der Körpersinn. Ohne ihn könnten wir weder Fahrrad fah-ren, gehen, uns im Dunklen orientieren oder Sport betreiben. Dass ein so wichtiger Sinn bis vor etwa 100 Jahren übersehen wurde, ist kaum zu glauben. Nachdem Aristoteles in der Antike die fünf Sinne Hören, Sehen, Riechen, Tasten und Schmecken identifizierte, blieb der Körpersinn rund 2.000 Jahre unentdeckt. Der Körpersinn, auch Propriozeption genannt, navigiert unsere einzelnen Körperteile durch den Raum. Beispielsweise sagt er dem Menschen, ob die Arme gerade gestreckt oder gebeugt sind.

Sinn der Körperwahrnehmung

US-Forscher konnten dem sechsten Sinn einem bestimmten Gen zuordnen. Dafür untersuchten sie zwei Mädchen, denen der Sinn für die Körperwahrnehmung fehlte. Die Forscher analysierten das Genom der Patientinnen und stellten fest: Beide hatten die Mutation "PIEZO2" im Gen. Dieses wurde in früheren Studien mit dem Tastsinn und nun auch mit dem sechsten Sinn der Körperwahrnehmung in Verbindung gebracht. Der Körpersinn hat kein spezifisches Organ, wie etwa beim Riechen oder Hören. Den Körper und seine Haltung nimmt der Mensch mit mehreren Teilsinnen wahr: Mit dem Gleichgewichtssinn, dem Tastgefühl und vor allem den Tiefensensoren in den Muskeln, Sehnen und Gelenken. Das Gehirn wird mit diesen winzigen Messstationen dauernd über Spannkraft, Stellung und Bewegung der Körperteile informiert. In den Beinen, Armen und im Rumpf wird der Körpersinn dominiert.

Gedächtnis und Wahrnehmung

Das Gedächtnis spielt eine wichtige Rolle für die Wahrnehmung des Körpers. Die Interpretation von Tiefensinn und Tastgefühl wird nach der Geburt erlernt. Kinder sammeln hier genug Erfahrung. Dieses Gefühl ist lebenslang geschult. Kinder lernen den Körpersinn beispielsweise, indem sie aus Bauklötzen immer höhere Türme bauen oder mit den Füßen den Untergrund wahrnehmen. Geht der Körpersinn verloren, bedarf es jahrelangem Training, die verlorene Kontrolle wieder zurückzugewinnen. Die meisten "körperblinden" Menschen bleiben jedoch ans Bett oder an den Rollstuhl gefesselt. Barfuß gehen, Gleichgewichtsübungen und die Reiz-Ausübung auf die Muskeln forcieren die Weiterentwicklung des Körpersinns.


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